Ich bin dann mal weg - vom Verschwinden in begehbaren Kleiderkästen

Hilfe, ich habe nichts anzuziehen - ein Schrei, den bevorzugt männlicheMitbewohner immer wieder zu hören bekommen und in unbeobachteten Momenten mit einem Stoßgebet zum Himmel bedenken. Kleiderkästen, die überquellen und angeblich nichts Passendes zu bieten haben – die moderne Menschheit hat manchmal sonderbare Probleme. Widmen wir uns einmal nicht dem Inhalt – da würde ich mich auf hauchdünnes Eis begeben und könnte getrost einige Adressen aus meinem Freundeskalender streichen- sondern dem Drumherum der Kleidung.

Ich möchte heute das Behältnis – die Wohnstatt der langen und kurzen Kleider, der Blusen, Hosen, Röcke, Dessous, Schuhe (!) und wasweissich betrachten. Man kann ja seine Kleider auf diverse Art und Weise aufbewahren – ein Freund hatte seine gefühlt 400 Krawatten seinerzeit im Korridor auf schmale Wandleisten drapiert – farblich wohlgeordnet waren die ein echter Augenschmaus wenn man sein Haus betrat. Die 50 Anzüge und 200 Hemden, Schuhe, Socken und der Rest waren fein säuberlich hinter Schiebetüren gelagert. Das hatte etwas Feierliches, wenn man sein heiliges Boudoir betrat. Da wurde Anziehen zelebriert.

Begehbare Kleiderkästen sind anscheinend generell en vogue – seit der Heineken Werbung weiß man auch, wie so was bei Männlein und Weiblein in der Vorstellung existiert.

Wer seine textilen Hüllen jedoch in einem nicht begehbaren Kleiderkasten verstaut, hat meist einen Pax (Friede Deinen Kleidern) oder etwas Ähnliches zu Hause herumstehen. Schiebetüren sind cool finde ich, nehmen keinen Platz weg – die schiebt man einfach auf die gerade nicht einzusehende Seite. Apropos einsehen – Licht flackert immer öfter auf in den Tiefen der Kleiderkästen. Alles soll seinen Platz haben in Fächern, Laden, auf Stangen und ausziehbaren Teleskophaken. Die Schrankindustrie erfindet immer neue Sachen, damit wir Ordnung halten können und nicht ausschließlich auf die mit Wochentagen bezeichneten Unterhosen angewiesen sind. Da gibt es ganze Armeen von Ordnungshütern, Sockensortierern, Trennfächern und Schuhaufbewahrungskisten mit aufblasbaren Stiefelschäften. Spiegel scheinen auch unerlässlich wichtige Attribute der Schrankkunst zu sein, schließlich will man ja wissen, wer die Schönste im Land, Bundesland, Stadt, Bezirk oder Straße ist. Das Ganze kommt dann edel verpackt in einem Möbel daher, das auch  noch schön gestaltet ist. Moltenis Gliss Master von Vincent van Dysen wurde gerade in vielen einschlägigen Gazetten gewürdigt – ein System, das sich einfach und unauffällig – technisch jedoch ausgeklügelt, in vier Wände einfügen kann und eine echte Wertanlage darstellt.

Früher hatte man eine Truhe und einen Kasten für das Gewand. Hat auch gereicht. Heute braucht es ganze Zimmerfluchten für die Textilablage. Apropos Flucht – wo versteckt sich denn heute der Liebhaber, wenn überraschend der gehörnte Gatte heimkommt? Ist der Kleiderkasten immer noch der bevorzugte Rückzugsort?

Am besten, man räumt mal ordentlich auf – in jeder Beziehung – also innerhalb und außerhalb des Kleiderkastens, damit man beruhigt in das noch junge Jahr starten kann – überzeugt davon: UND ALLES WIRD GUTh!