Erweiterte Wohnwelten

Die eigenen vier Wände sind das home sweet home-castle. Mit Garten und so. Dann gibt’s vielleicht noch ein Landhaus. Zweitwohnsitze. Und Elternhäuser mit Kinderstuben. Alles irgendwie auf einen mehr oder weniger kleinen Radius beschränkt. Think big sagt ein guter Freund immer wieder. Er meint zwar meist etwas Berufliches in diesem Zusammenhang – vielleicht auch ein Denkprinzip. Da wohne ich also in meiner Wohnung in der Vorstadt sozusagen- schau auf Weinberg und Wald. Grätzl. Und gleichzeitig lebe ich in Wien, Österreich. Ich bin in einem anderen Land geboren. Ein Zufall – nein – es war kein Zufall, der mich nach Wien brachte – es war der Ort, an dem ich Wissen erweitern konnte. Stadt der Musik. Das mit der Musik ist inzwischen eine Liebe- eine große sogar – meist jedoch passiv und auf die Freizeit beschränkt. Trotzdem bin ich hier geblieben – es ist inzwischen die Stadt, in der ich am längsten lebe. Leicht hat sie es mir nicht gemacht Anfang der Neunziger. Immer wieder bekam ich die Piefke Saga erzählt, runzelte man die Stirn ob meiner Sprache, meinte man, ich sei eine echte Deutsche, ich würde sagen, was ich denke. Man assimiliert mit der Zeit. Ich bekomme zwar noch immer freundliche Hinweise eines besonders guten Freundes auf das korrekt Wienerische und nehme es mit Humor. Der Wiener geht halt gern an den Plafond, mir reicht schon eine schnöde Zimmerdecke.

Ich liebe diese Stadt irgendwie – die Wiener sind mir manchmal immer noch zu uneindeutig, jo-eh, passtscho, gemma....aber die Stadt, das Wasser, die Luft und diese herrliche Landschaft drumherum – der Wein, die Gelassenheit, dieses schnoddrige ichhabsnichteilig kann was. Man trifft sich auf einen Kaffee, einen Spritzer, schaut Leute im Schanigarten und fährt anschließend gedanklich eine Runde Riesenrad im Prater. Kinder Kinder – würde der Hans Moser sagen und mit dem Hörbiger Paul ein Lied anstimmen- ein Wienerisches.

Moment – Wien ist modern geworden, zumindest in den letzten 20 Jahren hat sich viel getan. Der Tourismus boomt noch immer. Als Einheimischer kann man glücklicherweise abseits der Menschenströme die Langsamkeit genießen und spürt ein wenig Schubert, Freud, Grillparzer und der Tante Jolesch nach.

Kurzum - der Ort, an dem man lebt ist mindestens genauso wichtig, wie die eigenen oder gemieteten vier Wände. Man ist ja kein Eremit, sondern tritt ständig mit seiner Umwelt in Kontakt. Wenn das in einer Gegend passiert, die einem nicht taugt, leidet die Gesamtstimmung- wird man immer wieder triftige Gründe für ein Weggehen finden. Der Mensch ist per se harmoniebedürftig – die einen lieben die Berge, andere das Meer, für die nächsten ist nur die Wüste Option und so verteilt sich die Menschheit um den Globus in Städten, Dörfern, hohen und niedrigen Häusern, Wohntürmen oder Hausbooten. Die Sonne gibt mehr oder weniger Wärme und Licht, Pflanzen sind teilweise überbordend prächtig oder der Witterung angepasst und zurückhaltend. Bunte Vögel gibt es gottseidank überall- mit und ohne Flügel. Lasst uns also das Leben an dem Ort genießen, den wir uns ausgesucht haben – wandern wir zur Gloriette und schwelgen im  Ausblick auf Pracht und Herrlichkeit– vielleicht flüstert uns dann der alte Kaiser selig ins Ohr: UND ALLES WIRD GUTh!